25. April 2024, 14:05 Uhr

Luftbild vom Dominium Köln

Eine Wohlfühloase für das Gesundheitsamt

Das Kölner Bankenviertel ist geschichtsträchtiger, als man zunächst glauben mag. Nicht nur das einen Steinwurf entfernte Zeughaus, sondern auch die naheliegenden anderen Gebäude haben Geschichte in den Mauern: die Herstattbank, in der Iwan Herstatt tausende von Bankkunden prellte und bis 1974 mit seinen „Goldjungs“ um Dany Dattel vom ganz großen Geld träumte, oder Sal. Oppenheim, wo der wackere Maurer Josef Esch die Stadt um die Messehallen so übel betrog, daß es sogar aus Brüssel Ärger gab,  und den seine Karnevalsfreunde zum „König von Köln“ machten. Das Viertel könnte im kölschen Volksmund „Kwartier Größenwahn“ heißen. Denn jetzt kommt der nächste dreiste Coup auf die Stadt zu und der spielt wieder im Viertel an der alten Stadtmauer.

Top-Lage im Bankenviertel

Wie „Journalismus“ in dieser Stadt funktioniert, liest man dieser Tage irgendwo ganz weit unten in der Stadtpostille. Ich berichtete schon vor Monaten zwischenzeilig über die Anmietung von Büroflächen für das Gesundheitsamt. Jetzt hat sich auch die Mainstreampresse dieses Themas angenommen und macht einen trockenen Artikel daraus, der direkt aus der kreativen Wüste von Beamtistan stammen könnte. Dabei stellt man natürlich keine kritischen Fragen und recherchiert auch keine pikanten Details., sondern gibt sich mit „über die Kosten machte man keine Angaben“ zufrieden. Aber steckt hinter der Anmietung von Bürofläche „wegen Corona“ ? Ich habe recherchiert.

An der Komödienstrasse lässt es sich gut arbeiten und so schwärmen auch die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Köln von den neuen Büroräumen. Bisher hatte man doch in etwas heruntergekommenen Büros in einer verwinkelten Ecke des Gesundheitsamtes am Neumarkt „gehaust“, mit aktiver Fixerszene vor der Tür, Fenstern mit Einfachverglasung, die nicht schließen wollten und einer Heizung, die die Zuverlässigkeit eines krawonischen Zollbeamten hatte – was Sie sich jetzt auch immer darunter vorstellen mögen: es war nicht wirklich schön dort.

Aber jetzt: was für ein Upgrade nach dem Umzug. Trotz der arg befahrenen Nord-Süd-Fahrt, wegen der der Paleo-Grüne Heinrich Böll angeblich Köln verlassen hat, ist es relativ ruhig dort und das weiß auch der Vermieter „Generali“, der dort „Designoffices“ anbietet. So bewirbt er sein Objekt mit fast paradiesischen Arbeitsbedingungen und einer besonderen „Work-Life-Balance“. Nach harter Arbeit die Füße im „New Work Space“ hochlegen…eine Tasse Kaffee gereicht bekommen…

„Dies Design Offices gehört eindeutig zum besten was die Bürolandschaft in Köln anzubieten hat. Das Gebäude und die Büros sind einfach nur schön und sehr repräsentativ. Von mir gibt es die voll Punktzahl!“
(Website Designoffices, Bewertung von „Holger Schmidt“)

Stadt mietet Eventflächen im Lockdown

Für die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Köln ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Im „DOMINIUM“ an der Kömödienstrasse mietete man mitten in der Coronakrise edelste Bürofläche „mit Eventflächen, hauseigenem Deli [neudeutsch für einen gehobenen Imbiss] und Fahrrädern“ für einen Preis, der jedem die Zornesröte ins Gesicht treiben sollte, der immer noch auf seine „Novemberhilfe“ wartet.

Die Stadt Köln wollte sich zur Höhe der Miete auch nicht auf mehrfache Nachfrage äußern und verwies auf die öffentliche Ratsmitteilung, in der begründet wird:

Zusätzlich können im Objekt diverse Gemeinschaftsflächen genutzt werden. Deshalb ist der Büromietpreis auch höher als für sonstige am Markt angebotene (leerstehende) Büroflächen.
(Beschlussvorlage des Liegenschaftsamtes an den Rat)

Wozu bei Kontaktbeschränkungen „Gemeinschaftsflächen“ benötigt werden wurde nicht aufgeführt.

about.koeln bekam auch auf die Frage nach den außerplanmäßigen Haushaltmitteln keine Antwort vom Presseamt, dessen Leiter auch „Persönlicher Sprecher“ von OB’in Reker ist, sondern wurde auf den Haushaltsplan verwiesen. Auch bei der Kämmerei fragte ich nach und bekam wieder nur eine ausweichende Antwort – vom Presseamt.

Das ist erstaunlich, wenn man solche Summen aus dem Ärmel schütteln kann, ohne im Haushalt zu erscheinen.

Der Haushaltsplan 2020/21 weist im „Produktbereich 07 – Gesundheitsdienste“ aber nicht mal für die personellen Aufwendungen besondere Steigerungen auf – trotz erheblichem Mehrbedarf wegen „Corona“. Wo werden diese verbucht? Die Kämmerei schweigt und verweist auf die Pressestelle. Transparenz sieht anders aus.

Zu teureren Büromieten findet sich im Haushaltsplan lediglich hier und dort bei anderen Behörden der Stadt der lapidare Satz „Vor allem im Bereich der Büroraummieten ergeben sich ab dem Jahr 2020 deutliche Steigerungen bei der Planung.“ – aber nicht für den Gesundheitsbereich. Wurden die Kosten für die Luxusbüros irgendwo „versteckt“ oder anderswo verbucht? Warum steigen die Personalkosten trotz 400 Aushilfen seit 2018 nur im normalen Bereich?

Für die Stadt „Gemeinschaftsflächen“ und für die Bürger Kontaktverbote?

Man kann davon ausgehen, daß die Miete im „nichtöffentlichen Teil“ des Rates bekannt wurde. – und mehr oder weniger durchgewunken wurde.
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde about.koeln eine monatliche Miete von 250.000€ genannt, für eine Laufdauer von 18 Monaten also 4,5 Millionen Euro. Angesichts geschlossener Geschäfte, Lockdown und Kölnern, die nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll, eine obszöne Summe.
Angeblich handelt es sich bei dieser Viertelmillion „um ein offenes Geheimnis“, so teilte man mir vertraulich mit. Die Stadt möchte diese Summe nicht bestätigen und beruft sich auf die alte Grundlage des Kölner Klüngels: Verschwiegenheit.

In der Krise scheint aber nichts zu teuer, bei der Stadt sitzt das Geld sehr locker. Wie nicht anders zu erwarten war, stellte man beim „KStA“ keine Fragen und war mit „[Die Stadt]… machte zu den Kosten keine Angaben“ zufrieden. Früher hätte man mal nachgefragt und auf den journalistischen Auskunftsanspruch verwiesen, denn die dahinter stehende Summe ist in diesen Zeiten wahrlich schamlos. Kein Wunder, daß „man keine Angaben machte“.
Das Kölner Presseamt folgte auf Twitter als erstes dem „Kölner StadtAnzeiger“ – wie der besten Freundin.

Der neue Luxus stieg wohl  dem einen oder anderen (m/w/d)  schon zu Kopf: Die zur Kontaktverfolgung aushelfenden Bundeswehrsoldaten und die Mitarbeiter wurden gebeten, die Baristas des Dienstleisters „Designoffices“ anständig zu behandeln. Da muss es wohl zu zwischenmenschlichen Missverständnissen gekommen sein.

„Breakout“-Zone inklusive

Angesichts des US-amerikanischen Seuchen-Blockbusters „Outbreak“ von 1995 – in der Corona-Krise wieder ein beliebter Spielfilm –  fragte ich mich spontan, ob das Vorhandensein einer „Breakout“-Zone ausschlaggebend für die freihändige Vergabe ohne Ausschreibung an das Gesundheitsamt gewesen sei . Viel wichtiger ist allerdings die Frage, ob man keine günstigeren Büros finden konnte oder wie wichtig die „Wohlfühlumgebung“ bei der Vergabe war. Natürlich werden auch diese besonderen Arbeitsbedingungen  vom KStA nicht recherchiert, dabei sind sie öffentlich auf der Website des Vermieter zu lesen:

„Lobby Lounge, Treppenbühne, Rooftop Bar: Zusammenkünfte unterschiedlicher Art finden ihren Raum.“

oder

„Ob Stehempfang, exklusives Dinner, Networking-Event oder gemütliches Feierabendbier – dank Haus-Support vom Catering über die Technik bis hin zum DJ und Fotografen wird auf Nutzflächen für bis zu 200 Personen alles zum Erfolg.“
(Quelle: Website DOMINIUM)

Das klingt alles wie im Schlaraffenland. Partyflächen für bis zu 200 Personen, hoch über den Dächern der Stadt auf den Lockdown schauen, bei einem Kaffee oder einem kleinen Sekt, dazu chilligen Loungesound vom DJ. So wie man dort arbeiten kann, möchten andere Urlaub machen. Wenn man dieses Jahr überhaupt noch irgendwo Urlaub machen kann.
Wozu ein Gesundheitsamt allerdings eine „Treppenbühne“ braucht – vielleicht kann man als Waldorfschüler dort ein „Coronavirus“ tanzen, singen oder klatschen. Seien Sie in ihren Vorstellungen kreativ – die Liegenschaftsverwaltung ist es in ihren Beschlussvorlagen an den Rat schließlich auch.
Auffällig: In dieser Beschlussvorlage für den 25.01.2021 (Vorlage 2961/2020 der Liegenschaftsverwaltung) wird die Bedarfsfestellung des Rates vom 12.12.2019 genannt.

„[…] die Flächen sind Bestandteil des Bedarfsfeststellungsbeschlusses des Rates vom 12.12.2019
(Vorlagen-Nummer 3414/2019).“

Wie bitte ? Dezember 2019 ?  Sehr merkwürdig, wenn man damals schon den Bedarf anmeldete, der erst zwei Monate später als „Wuhan-Virus“  praktisch „explodierte“. Noch merkwürdiger, wenn in einer Bedarfsfeststellung ein Bedarf für eine Dachpartyfläche oder dienstbare Kaffeebaristas gestanden hätte. Damals wären solche Sachen vielleicht noch aufgefallen, inzwischen guckt man „wegen Corona“ vielleicht nicht mehr so genau hin.

Eine alte journalistische Fragestellung: Was wusste wer wann? Und der Ratschlag aus der Watergate-Affäre: „Follow the money“.
Nur: es gibt laut Stadtkämmerei gar kein Geld, dem man folgen kann:

“ […] mussten für die Anmietung keine überplanmäßigen Haushaltsmittel
bereitgestellt werden. Die Anmietung kann aus dem vorhandenen Budget
gedeckt werden.“

teilte das Presseamt für die Kammerei mit. Es gibt ein Budget für die besten Büros der Stadt, aber in Nippes kann man die Marktoilette seit 11 Jahren nicht reparieren?
Ein paar hunderttausend Kölner wüssten wohl gerne, wie man das macht: Luxusbüros ohne Mehrkosten und das in Corona-Zeiten, in denen viele nur noch mit der staatlichen Stütze durchkommen, ohne daß man ihnen Kaffee reicht oder sie ihre Kreativität auf städtischen Treppenbühnen ausleben können. Wohl möglich stammt das Geld aus der Opern- und Schauspielhaussanierung unter dem Titel „Ausdruckstanz für bewegungssteife Beamte“. Alles Spekulation – die Stadtverwaltung schweigt.

Wahrscheinlich wartet der Vermieter auch nicht monatelang auf seine Miete, wie die Selbstständigen der Stadt auf ihre „Novemberhilfe“.

Man kennt sich, man hilft sich, man schießt über das Ziel hinaus?

Der hinter „Designoffices“ stehende Vermieter ist die italienische Versicherung „Generali“ mit ihrem deutschen Ableger „Generali Deutschland AG“. Deren Ansiedlung in Köln fällt in die Zeit von Norbert Walter-Borjans, dem heutigen SPD-Chef, als Wirtschafts- und Liegenschaftsdezernent der Stadt Köln. Aber die Kontakte zur Politik beschränken sich nicht auf die Genossen: Im Aufsichtsrat der „Generali“ mit Firmensitz in München sitzt der ehemalige CDU-Finanzminister Theo Waigel, jetzt nur noch bescheiden als „Rechtsanwalt“ aufgeführt.

Die „Generali“ und die Politik haben also Kontakte in die Politik – ein Zusammenhang lässt sich  nicht beweisen. Den Steuerzahler den unangemessenen Luxus zahlen zu lassen, während viele „auf dem Zahnfleisch“ gehen, ist aber unfraglich unanständig.

Nach meinen Recherchen kostet ein Arbeitsplatz im DOMINIUM auch im kurzfristigen „Co-Working“ ca. 600€ pro Arbeitsplatz. Das wären bei ca. 400 Beschäftigten 240.000€ – was nicht ausschließt, daß die Stadt mit den kolportierten 250.000 € etwas zu viel zahlt. Es würde lediglich eine „sorgfältige Sondierung des Büroflächenmarktes“ ausschließen. Aber auch das lässt sich leicht erklären: die Stadt hat auch noch etliche Tiefgaragenplätze angemietet.

Autostellplätze für die Klimastadt

Moment – Autostellplätze ? Zu den Luxusbüros hat die Stadt angeblich auch noch etliche Tiefgaragenstellplätze angemietet. Was für eine Verhöhnung der „Klimapolitik“ oder anders: „Wasser predigen, Wein trinken“. Man könnte meinen, die Zusammenarbeit zwischen der Verkehrsverhinderin Blome und dem Sozialdezernenten Rau könne etwas geschmeidiger sein.
Parkplätze in der Innenstadt gint es also zum Büroluxus auch dazu – die Stadt gibt einen aus, obwohl die Haltestelle „Appellhofplatz“ in angenehmer Laufweite liegt. Und der Vermieter stellt auf Wunsch sogar Leihfahrräder für die 100 Meter.

Wenn die 250.000€ im Monat stimmen – und alle Recherchen deuten das an – dann kostet der 18-monatige Mietvertrag für die „besten Büros in Köln“ 4,5 Millionen Euro, Verlängerung nicht ausgeschlossen — und wie in der Stadt mit „Provisorien“ umgegangen wird, sieht man an den Kölner Dauerlösungen, die einst auch nur Provisorien waren und inzwischen zum fast 25jährigen Stadtbild gehören.

Update 19.01.21: Ein doppeltes Zitat von der Website des Vermieters wurde aus optischen Gründen entfernt und die Transparenzbox wurde um Kontaktinformationen („Dialog“) ergänzt.

Update 2 vom 19.1.21: Laut einer Information werden die Luxusbüros zur Zeit ohnehin weniger genutzt, da die Stadt ihre Mitarbeiter nach Möglichkeit so oft wie möglich ins „Homeoffice“ schickt. Aber auch der Leerstand kostet das Gleiche.

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Es gibt 11 Trümmerberge aus dem 2. Weltkrieg in Köln. Der instabile „Säureberg“ (gemeint sind Blausäureverbindungen) in Köln-Kalk, auf dem ein Hubschrauberlandeplatz gebaut werden sollte, ist keiner davon.