25. April 2024, 14:25 Uhr

Parteitage in Zeiten der Demokratie

Von der Bundes-CDU zu berichten ist aus meiner Sicht natürlich auch irgendwie Auslandsberichterstattung. Wir sollten aber auch bei einer aktuellen Diskussion um die Akklamation von CDU-Spitzenkandidaten aber auch mal weiter als nach Düsseldorf schauen.

Angst essen Laschet auf

In den letzten Tagen diskutierten die Kandidaten für den CDU-Vorsitz über die Ausrichtung des Parteitages, auf dem sie alle gewählt werden möchten. Wohl eher kein Zufall war der Vorstoß von Armin Laschet, als die Umfragewerte an der CDU-Basis nicht besonders rosig für ihn aussahen, sondern Friedrich Merz deutlich bevorzugten. Das Manöver von Laschet war durchsichtig und auch eine kindische Reaktion, nach dem Motto „Wenn ich im Sandkasten nicht gewinne, dann ändern wir eben die Regeln“. Merz mit seiner trockenen Art, daß er eine Entscheidung nicht zu fürchten hätte, aber eben andere, sagte viel. Überhaupt sagt Merz wenig, Laschet dafür umso mehr, vielleicht um auch alle Meinungen abzudecken, oder eben, weil er erst hören muss, was er sagt, bevor er weiß, was er meint.

Es gibt zwar diese Umfrage unter den CDU-Parteimitgliedern, aber was haben die wohl mit den Delegierten zu tun? Wenig, denn auf dem Parteitag wird ein Kandidat nicht mehr von den zahlenden Mitgliedern gewählt, sondern eben von diesen „Delegierten“ – und da kann das Ergebnis völlig anders sein, obwohl die doch die Meinung ihrer Entsender vertreten sollten – tun sie aber oft genug nicht.

The winner takes it all

Jetzt nennen wir diese Delegierten doch einfach mal „Wahlmänner“ und schauen 5000km weiter westlich in die selbsternannte „älteste Demokratie“ der Welt, die USA.
Da regt sich nach jeder Präsidentschaftswahl traditionsgemäß der unterlegene Kandidat über das veraltete Wahlsystem auf, bei dem eben Delegierte von den einzelnen Bundesstaaten entsandt werden, um den Präsidenten zu wählen. Und anschließend änderte bisher kein gewählter Präsident – auch nicht der messianische Obama – das Wahlsystem – „never change a winning system“.

Seit der Niederlage bei der Gouverneurswahl 2018 engagiert sich Abrams als Wahlrechtsaktivistin.
(Tagesschau vom 07.07.20)

Wohlgemerkt, das Engagement enstand erst nach der Niederlage, wobei man der schwarzen „Aktivistin in eigener Sache“ sicher keine narzisstisch-infantile Reaktion vorhalten wird, selbst wenn es eine wäre. Sie hätte das Wahlsystem als Gewinnerin sicher auch nicht geändert.

Man erinnere sich an die in Deutschland gezeigten Filmchen mit „Bush…Gore…Gore…Bush…Bush…Bush“, bei der man einzeln Lochkarten ins Licht hielt, weil alte Leute in Florida angeblich nicht fest genug auf die Wahltaste gedrückt hatten.
Als ob das etwas geändert hätte. Was hat man da nicht schon alles gehört:

Hillary Clinton hat bei der US-Präsidentschaftswahl mehr Stimmen bekommen als Donald Trump. Ja, richtig gehört. 59,4 Millionen Amerikaner stimmen nach jetzigem Stand für Clinton, 59,2 Millionen machten ihr Kreuz bei Trump. Ginge es nach den absoluten Zahlen, wäre Clinton also mit hauchdünnem Vorsprung zur nächsten US-Präsidentin gewählt worden. Doch das Mehrheitswahlrecht verhindert dies. Die Wahlmänner entscheiden – und hier steht es 279 zu 228 für Trump.
(Süddeutsche Zeitung vom 9. November 2016)

oder

Derzeit hat das Wahlmännersystem zur Folge, dass die Bürger in rund 40 US- Staaten keinen realen Einfluss auf den Wahlausgang haben.
(„Aus der Postkutschenzeit“ : Der Tagesspiegel vom 21.12.2016)

Die neueste amerikanische Wahllegende ist, daß man Wähler vom Abstimmen abhält, am liebsten natürlich die, die eben nicht Trump wählen, während die anderen „dürfen“, wobei man den armen und schwarzen Wählern unterstellt, sie würden ja „redlich“ (nach deutscher Presse: eben nicht Trump) wählen, wenn man sie nur lassen würde.

Wen interessiert denn dieses verquere US-Wahlsystem ?

Der Focus schreibt zum amerikanischen System

Das liegt auch daran, dass es viele Regeln gibt, die sich stark von dem unterscheiden, woran deutsche Wähler gewöhnt sind.
(Artikel vom 23.03.2017)

Ist das wahr? Dabei muss man gar nicht so weit schauen. Im demokratischen Deutschland dürfen die CDU-Mitglieder nämlich auch nicht wählen, sondern man entsendet „Delegierte“ – die sich auch nicht an die Wahlquoten aus ihren Bezirken halten müssen.
Genau wegen deren Unberechenbarkeit – in gewissen Sinn auch demokratischer Unzuverlässigkeit – haben die Merz’schen 45% „an der CDU-Basis“ keinerlei Bewandnis. Am Ende bekommt der Gewinner, wer auch immer, ein Wahlergebnis wie aus totalitären Staaten, irgendwas um die 90%. Oder eben wie im 18. Jahrhundert der Vereinigten Staaten.
Wahlmänner nicken also vor allem ab, wie dies auch meist durch den Fraktionszwang im Bundestag geschieht, es sei denn der Parteifürst hebt großzügig selbigen auf.

Die Parteien sollten mal im 21. Jahrhundert ankommen

Das ist ein demokratisches Grundproblem, denn der normale Wähler bekommt von der CDU – und auch allen anderen Parteien – wieder etwas vorgesetzt, bei dessen Gestaltung nicht mal die jeweiligen Parteimitglieder mitbestimmen dürfen.
Als lokalen Einschub muss man sich da nur die Kölner CDU anschauen, ein kläglicher Haufen der Christdemokratie, seit Jahren im Stillstand lauernd verbunden, weil jeder weiß, was der andere für Leichen im Keller hat. Am Ende kann man wegen dieser Blockade nicht mal einen eigenen Kandidaten finden, sondern unterstützt eine Parteilose, die auch noch die eigentlich politisch gegensätzlichen Grünen „bedienen“ muss.
Oder die Kölner SPD, die ihre Kandidaten immer wie Sigfried und Roy aus dem Hut zaubern – und die dann nach der üblichen Niederlage schmollend wieder in der Versenkung des Landtages verschwinden. Bei der SPD stellt man für Köln offenbar nur Zählkandidaten auf.

Die Parteien sind sämtlich feudale Konstrukte

Solange die Willensbildung in den Parteien so pseudodemokratisch ist, wie in den USA mit ihren Postkutschen, kann bei einer Bundestagswahl kein demokratisches Ergebnis herauskommen, denn die Kandidaten sind nicht mal von ihrer eigenen Parteibasis gewählt worden, sondern stammen aus der Hinterzimmerdiplomatie der Delegiertenkongresse. Das kann gutgehen, muss es aber nicht, wie man an der testamentarischen Verfügung von Annegret Kamp-Karrenbauer durch die Noch-Amtsträgerin Merkel gesehen hat. Man muss schon sehr naiv sein, um zu glauben, daß nicht auch jetzt immer noch Weichen gestellt werden, damit ein der Kanzlerin angenehmer Nachfolger ins Amt gehoben wird. Ob da mit Merz ein Bruch wie seinerzeit zwischen Merkel und Kohl heraus kommt – es bleibt spannend.

Zum Rauch noch Nebelkerzen

Die „tagesschau“ wirft denn dann auch weite Nebelkerzen, indem sie meldet, das Bundeswahlgesetz wäre für so einen Fall geändert worden. Das ist nur zu einem geringen Teil richtig: das Bundeswahlgesetz regelt lediglich die Aufstellung von Kandidaten für den Bundestag – durch wen diese in einer Partei aufgestellt werden, regelt es nicht:

Das Nähere über die Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlung, über die Einberufung und Beschlußfähigkeit der Mitglieder- oder Vertreterversammlung sowie über das Verfahren für die Wahl des Bewerbers regeln die Parteien durch ihre Satzungen.
(§21 Abs. 5 Bundeswahlgesetz 2020 )

Die CDU könnte also ihre Mitglieder wählen lassen – will es aber nicht. Aber die letzte Frage sollte dann lauten: Wer ist denn diese „CDU“, die nicht will, daß das einzige was man hat, nämlich Mitglieder, auf keinen Fall irgendwas zu sagen hat?

Weil sie urheberrechtsfrei sind, zum Schluß ein paar Zeilen von Heinrich Heine:

Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht, ohne Fessel , ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muss die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts

Was Heine wohl heute bei „Illner“, „Maischberger“ und „Hart aber fair“ zu sagen hätte – oder würde er als „Nazi“ auf der „Blacklist“ der Sender stehen und niemals eingeladen?

Suche

Die Stadt Köln besitzt eine Waldgrabstätte im Königsforst, der zum Stadtgebiet von Bergisch-Gladbach gehört. Der Unternehmer Hubert Josef Hausmann vermachte dieses Grundstück, auf dem er und seine beiden Hunde begraben sind, nebst viel Geld und Immobilien der Stadt, die dafür die Grabpflege übernahm.