26. April 2024, 1:03 Uhr

Politik ohne Zahlen

Lauterbach schätzt nicht erhobene Daten

Vor kurzem berichtete der Welt-Journalist Tim Röhn über falsche Zahlen des RKI, des DIVI und diverser Gesundheitsämter. Zahlen, die zu politischen Entscheidungen und Grundrechtseinschränkungen herangezogen wurden und die Behauptung, bei Corona handele es sich um eine „Pandemie der Ungeimpften“ von Ministerpräsident Söder als falsch entlarvte. Gerade in Bayern wurden Impfstati nicht erfasst, unbekannte oder nicht erhobene Immunisierungen wurden als „ungeimpft“ berichtet, aber auch für Hamburg wies das Rechercheteam von Tim Röhn das nach. Das RKI möchte nun irgendwann ab Januar den Impfstatus der hospitalisieren Patienten regelmäßig veröffentlichen.

Keine Zahlen, aber Aktionismus – man könnte das als das Markenzeichen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach erklären. Auch wenn er seine Twitteraktivitäten inzwischen stark heruntergefahren hat – Kritiker meinen, „jetzt komme er langsam mal ans Arbeiten“ – navigiert er offenbar weiterhin im Nebel.

Heute sagte er

Die Untererfassung ist wahrscheinlich in der Größenordnung daß derzeit … also die tatsächliche Inzidenz zwei bis dreimal wie die Inzidenz die wir ausmessen

(wörtlich transkribiert aus der Pressekonferenz vom 29.12.2021)

Lauterbach setzt eine Untererfassung voraus, nach seiner Meinung wegen weniger Tests und Meldungen über die Feiertage. Das würde zwar dem stets fallenden Trend seit dem 10.12., also 14 Tage vor dem Weihnachtsfest,  widersprechen, aber bekanntlich ficht so ein Detail den Gesundheitsminister nicht an. Deshalb schätzt er auch auch, daß die Inzidenz „wahrscheinlich“ das Dreifache beträgt. Das wäre für Köln dann heute eine Inzidenz von 656 statt 218. 

Aus der schlechten Zahlenlage, von der die WELT berichtet, hat Lauterbach offenbar nichts gelernt. Die Politik, seine Politik, navigiert ohne Zahlen im Nebel. Gleichzeitig ist er – auch ohne Zahlen nennen zu können – sicher, daß sich die Omikron-Fälle vervielfacht haben.
Dafür muss man natürlich kein Professor ohne Lehrstuhl eines unbedeutenden Instituts an einer Kölner Durchgangsstrasse sein, das kann man leicht an den Verläufen anderer Länder sehen. Länder, die scheinbar auch über die Feiertage valide Zahlen erfassen konnten, und deren Zahlen immer stärker andeuten, daß die Omikron-Variante deutlich mildere Verläufe und geringere Hospitalisierungen verursacht.

Politik ohne Zahlen …ohne Ahnung …ohne Fachkräfte

Ein Bonmot erreichte uns dann auch gestern aus Düssdorf vom dortigen Gesundheitsminister Laumann. Der sagte in einem Interview des WDR:

 

Und ich habe heute noch eine Expertise aus dem Gesundheitsamt in Köln bekommen, die noch ganz klar sagen: Das Neue an dieser Omikron-Variante ist, dass sie sich nicht nur durch Tröpfchen überträgt, sondern dass sie auch ähnlich wie Masern sich durch die Luft überträgt.

Kurz darauf distanzierte sich ein Sprecher des MAGS von dieser Äußerung, es hätte sich um ein Missverständnis gehandelt. Keine Erklängt gabe es zu der angeblichen „Expertise“ des Kölner Gesundheitsamtes.

Der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes, Dr. Johannes Nießen, ist Facharzt für Allgemeinmedizin, also kaum ein „Experte“ für Infektiologie oder öffentliches Gesundheitswesen. Sein Scopus-Index, ein anerkannter Maßstab für die wissenschaftliche Relevanz, liegt bei 1.
Ein beschämender Wert für jemanden, der einem Gesundheitsminister „Expertisen“ vorlegt.
Zum Vergleich liegt der Scopus-Index von Hendrik Streeck bei 43, der von Christian Drosten bei 95.

Die teilzeitbeschäftigte Leiterin des für die Covidbekämpfung zuständigen Fachbereichs beim Gesundheitsamt kann kaum eine bessere „Expertise“ oder wissenschaftliche Karriere vorweisen: Frau K. ist erst gar nicht in der Scopus-Datenbank zu finden (siehe Update unten) und die Leiterin des Kölner Krisenstabs, die Architektin Andrea Blome erwartungsgemäß ebensowenig, Archtitekten arbeiten selten wissenschaftlich.
Andere einschlägige Experten finden sich beim Gesundheitsamt Köln oder im „Krisenstab“ nicht – auf welche Expertise sich Laumann bezieht bleibt offen, aber die Nachricht bleibt hängen: „Omikron ist so ansteckend wie Masern“, sagt der Maschinenschlosser Laumann in die Kamera des WDR. Weil ihm das jemand vom „Gesundheitsamt Köln“ gesagt hat – wer auch immer.

Quo vadis Colonia ?

Die ahnungslose Politik navigiert im Nebel ohne Zahlen und mit Steuerfrauen- und -männern, die auch nicht mehr wissen als die Schiffsjungen, aber zumindest sowas wie die Funktion des Frühstücksdirektors auf einem Kreuzfahrtschiff haben.
Da bleibt dem Bundesgesundheitsminister natürlich nur das Schätzen, wenn er unbedingt weiter reden muss. Warum er dabei wieder den Kompass Richtung Panik stellt, erklärt er nicht. Er hätte ja auch etwas weniger dramatisieren können, aber das ist wohl nicht sein Ding. Deutschland fährt weiter auf Panikkurs dank des Gnadenprofessors Käpt’n Lauterbach. Exitstrategie? Kann man nur schätzen, ob Lauterbach sowas kann. (mj)

Korrektur 01.01.2021: Durch einen Recherchefehler meinerseits wurde die Leiterin der Krankenhaushygiene und Infektiologie des Gesundheitsamte Annelene K. fälschlich als in der Scopus-Datenbank nicht auffindbar berichtet. richtig ist, daß sie  dort einen h-Index von 8 erhält. Der obige Text wurde dahingehend nicht geändert. Es bleibt auch bei der Einschätzung, daß ein solcher h-Index keine ausreichende „Expertise“ für die Vorlage beim MAGS erklärt.
Dies ist keine Gegendarstellung im Sinn des Presserechts, sondern eine Berichtung meiner Rechercheergebnisse nach anderslautenden Erkenntnissen. (mj)

Titelfoto (Symbolbild): Pixabay, Public domain.
Foto GM Laumann:
CDU-Fraktionsvorsitzender Karl-Josef Laumann, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0

 

 

 

 
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