23. April 2024, 20:37 Uhr

Wahl ohne Kampf

Der Kölner Wahlkampf ist vorüber, nach der Stichwahl hat die Kandidatin der Herzen CDU/Grünen gewonnen. Herzlichen Den üblichen Glückwunsch. Es mag einige Kölner gegeben haben, die von einem Wahlkampf gar nichts mitbekommen haben, die Plakate hingen zwar, aber ein Wahlkampf fand diesmal weitgehend „wegen Corona“ nicht statt. Zudem hatten die „demokratischen Parteien“ sich verständigt, nicht an Podiumsdiskussionen in Anwesenheit von AfD-Kandidaten teilzunehmen. Wie im Sandkasten: was man nicht sieht, ist auch nicht da. Die abgesprochene Harmonie wurde erst zur Stichwahl etwas gestört, als man das nicht mehr zu befürchten hatte, der SPD-Kandidat Kossiski wurde etwas handfester, die Amtsverteidigerin neigte zur verkrampft wirkenden feministischen Kampfparole.

Ich muss sie warnen. Es ist kein schöner Journalismus, dieser Artikel, es ist eine Polemik., wie man schon am Artikelbild erahnen kann. Daran sollten wir aber schon gewöhnt sein, Böhmermann macht es, das „heute-journal“ und die „Kommentare“ der ARD sind auch einzige Polemiken. Berichterstattung sieht anders aus, auch wenn einige Tatsachen in diesem Artikel vorhanden sind.

Zurück in Kölner Funkhaus

Es schien verwunderlich, wie Frau Reker, Kandidatin des früher politisch unvereinbaren Bündnisses aus CDU und Grünen, ihren Wahlkampf gestaltete. Bis auf die Aussage „Keinen Millimeter nach rechts“ war da nicht viel zu vernehmen, außer, daß sie den Schulbau beschleunigen wolle. Eine gute Nachricht, allein die Frage sei erlaubt, warum sie das nicht in den letzten 5 Jahren schon gemacht hat. Sie wollte auch „gemeinsam durch die Krise“ – wobei das auch nur das Mindeste wäre, was man von einer Oberbürgermeisterin (auf dem Plakat ohen Krisenmaske) erwarten könnte – scheint aber wohl nicht selbstverständlich zu sein. Vielleicht hatte sie auch nur Angst, allein in der Eifel ausgesetzt zu werden – man weiß es nicht und rätselt eben über solche politischen Aussagen, die für die nächsten fünf Jahre stehen soll. Aber wer weiß, was Frau Reker noch so für Krisen in der Schublade hat.

Stattdessen lagen die Schwerpunkte wohl woanders: man bekam den Spitzenplatz Köln’s in der Kriminalstatistik auch in den letzten 5 Jahren nicht in den Griff, baute – Entschuldigung: sanierte – eine Oper für über 700 Millionen Euro und hatte die eine oder andere personelle Baustellen mit Orgelspielern, die man woanders nicht zum Bürgermeister wählen wollte und die dann unerwartet wieder auf den vollversorgten Posten bei der Stadt sassen -persönliches Risiko: Fehlanzeige. Blöd, daß die in Offenburg keinen „Zugereisten“ wollten, aber der Kölner kennt das aus Filmen wie „Ich bin der Peter aus Berlin“ oder „Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben“.

Jetzt kann man über Architektur in Köln viel oder wenig diskutieren, ein Leuchtturmprojekt wie die Elbphilharmonie ist die Kölner Oper nicht. Die war aber auch als Neubau nur ca. 160 Millionen teurer – „circa“, weil die KölnOper immer noch nicht fertig ist. Und so steht ein fast fertiger Klotz mitten in der Stadt, gehalten in düsterem Muschelkalk, den die Nazi-Architekten auch so gerne benutzten und gebaut wie ein ägyptischer Tempel. Welchen Bezug Köln wohl zu Memphis haben mag – wir wissen es nicht. Architektonische Identität hat diese Stadt nicht, egal, was man in die künstliche Skyline aufnimmt. Angeblich kommen sogar Architekturstudenten aus aller Welt, um die übelsten Scheusslichkeiten zukünftig zu vermeiden. Den „Masterplan“ des Herrn Speer, eigentlich nur eine Rechtfertigung zur Bebauung von Parks und Grünflächen, hat Frau Reker jedenfalls nicht ausgesetzt. Den hatte Schramma als Vorschlag eines privaten Interessenvereins rund um die Kölner Immobilienpäpste umgehend in städtisches Recht gemeisselt und wird jetzt praktisch selbstreferenziell umgesetzt. Man machte Pläne für seine Klientel zu Gesetz und beruft sich anschließend auf dieses Gesetz. Die Griechen nennen sowas „autopoiestisch“, aber Schramma war Lateinlehrer und kein Altgrieche.

Ungedoped, aber auch kein Heroin im Wahlkampf

‚Keinen Millimeter nach rechts‘ ist das Mantra, wobei man sich fragen darf, wo eine Kandidatin der CDU und der Grünen denn im üblichen Spektrum zu verorten sei – nur um sich dieses „Rechts“ einer beliebigen Kandidatin mal vorzustellen. Jetzt sind die Kölner Grünen spätestens seit Anne Lütckes ohnehin im Immobilienzirkel der Stadtgranden angekommen und verdienen kräftig mit an den steigenden Mieten und leerstehenden Büroflächen. So wundert es kaum, daß im Rat der Stadt auch diese Grünen zustimmten, als es um die Oper ging und genauso wenig erstaunlich ist es, daß der Sozialdezernent Harald Rau, der sich so arg für Köln’s schönstes Fixerzentrum engagiert, ein grünes Parteibuch hat. Wer also keine bedröhnten und unzurechnungsfähigen Heroinkonsumenten – und das damit verbundenene ungute Gefühl – am belebtesten Platz der Stadt möchte, rückt nach rechts?

Am Neumarkt sind Fixer scheinbar akzeptierter als Autos, wenn man die Pläne der Verkehrsdezernentin Andrea Blome so verfolgt. Der ist es nämlich scheinbar wichtiger, daß man zum Heroinkonsum mit dem Rad anreist, „wegen Klima“.
Deutschland lacht heute noch über die „Armlänge Abstand“ von Frau Reker. Ein peinliches Bild einer Oberbürgermeisterin, natürlich auch kein Thema im Wahlkampf. Die Bewertung des Gesundheitsamtes auf Google Maps (5 Sterne) als „pittoresk inszeniertes Suchttheater mit lebensechten Suchtdarstellern und kleinen Polizeimännchen“ wurde inzwischen über 3000 mal geklickt.

 

Improvisation als Dauerzustand

Man kann sich natürlich fragen, ob diese Improvisationen auch im Herzen der Verwaltung ein Dauerzustand sind. Das hängt allein vom politischen Willen ab, der ab und an eher wirkt wie ein schreiendes Kind an der Süßigkeitenkasse. Wenn „die Politik“ -also Frau Reker oder jemand aus dem großen Kreis der CDU oder Grünen- etwas will, dann wird es durchgeboxt, gegen alle Bedenken, gegen jeden Widerstand und oftmals gegen den allgemeinen Verstand.
Die „Fixerstube“ – schon der Begriff in Anlehnung an die „gute Stube“ soll wohl eine Behaglichkeit suggerieren – ist so ein Beispiel, andere sind der von Anfang an ungeeignete Hubschrauberlandeplatz auf dem Kalkberg, bei dem alle Bedenken von Ingenieuren rabiat missachtet wurden. Äußerte jemand fachliche Bedenken, wurde er kaltgestellt und vom Projekt abgezogen. Dabei zogen schon alle Kölner, die länger als 20 Jahre hier wohnen, die Brauen hoch, wenn es um den „Säureberg“ als Altlast der Chemischen Fabrik Kalk ging- auf sowas zu bauen konnten nur „Immis“ kommen. Natürlich ist die in Köln geborene Frau Reker keine Geologin oder hat Ahnung von Statik – und schon wieder schuldlos an allem. Wer hat dann aber die vorher geäußerten Bedenken mit einem Federstrich beiseite gewischt? Und wird der „Säureberg“ irgendwann saniert oder bleibt der wie immer nachfolgenden Politikergenerationen überlassen? Warum gibt es keine öffentlich einsehbare Altlastenkarte für die Stadt – da soll es ja noch einige Gebiete mit Blei-/Arsen- und sonstiger Belastung geben. Die Anwohner des Rathenauplatzes waren jedenfalls nicht besonders erfreut, als man ihren Kinderspielplatz deswegen sperrte, auf dem die Kleinen bis dahin schön buddeln durften.

Andererseits passiert bei Baugenehmigungen, die nicht dem besonderen Fokus des Rates oder der Chefin unterliegen, praktisch lange gar nichts. Das Bauamt zog sich Anfang des Jahres sogar zurück, um Monate oder jahrelang liegengebliebene Arbeiten bewältigen zu können. Man befürchtete vielleicht die Untätigkeitsfestellung durch ein Gericht, was vor der Wahl nicht so opportun war. Der launige Herr Gröner von der Leipziger CG-Group, der ein gefühltes Viertel Mülheim von der Stadt gekauft hat, war ja auch nicht besonders zufrieden mit Frau Reker, weil sein Bauvorhaben nicht voran kam.

Interessante Widersprüche finden sich dann zum Beispiel im Nippes, wo jeden Wochentag Markt ist. Die dortige öffentliche Toilette auf dem Platz ist seit Jahren defekt, nach einer Schätzung sollte die Reparatur 6000€ kosten. Die Stadt entschied, statt einer Reparatur, „vorläufig“ mehreren ansässigen Gastwirten jeweils 100€ im Monat zu bezahlen, damit auch Nichtgäste deren Toiletten nutzen durften. Inzwischen dürfte dafür die 6000€-Marke längst überschritten sein, die Toilette blieb defekt und geschlossen.. Ein typisches Beispiel für den Kölner Weg, Improvisation zu einem Dauerzustand zu machen. Der Musical-Dome, volkstümlich auch „blauer Müllsack“ genannt, sollte auch mal „nur ein paar Jahre“ dort stehen. Inzwischen fehlt Köln der frühe dort befindliche zentrale Fernbusbahnhof und der Müllsack“ ist eine Dauerinstallation. Man heizt wahrscheinlich die halbe Hambacher Grube weg, aber solange niemand nachfragt und der Bildungsmittelstand sein Musical bekommt…ein adäquter Ersatz? Seit Jahren Fehlanzeige in einer Stadt, die Frau Reker noch „nachverdichten“ möchte, als Antwort auf das Wohnungsproblem. Die Legehennenhaltung ist für Tiere schon lange verpönt, bei Menschen darf man aber „nachverdichten“. Wir werden sehen, wie eng die Beziehungen in „Kreuzfeld“ werden.

Unbürokratisch schnell fand man ‚dank Corona‘ eine schnelle Lösung bei neuen Arbeitsräumen für die Kontaktverfolger des Gesundheitsamtes. Zu Beginn er Krise, durch die wir mit Frau Reker gemeinsam sollen, hatte man selbst Hausmeister die Call-Center gesetzt, um der Flut Herr zu werden. Alle anderen Arbeiten ruhten, ausser natürlich die Karnevalsaktivitäten. Während in Heinsberg der zweite Hotspot durch Karneval entstand, tanzte das Gesundheitsamt auf den Tischen. Scheinbar reichte aber dann der Platz (vielleicht auch der Zustand nach Feier) doch nicht: In einem der teuersten Büroviertel der Stadt, dem Kölner „Bankenviertel“ mietete man ohne viel Aufheben ordentlich Raum an, gerüchteweise für ein paar hundertausend Euro im Monat. Ein Schelm wer bei „unbürokratisch schnell“ an typisch kölsche Lösungen denkt, wir unterstellen hier keine unlauteren Praktiken, reiben uns aber die Augen, wie schnell etwas in Köln gehen kann, wenn man nur will – wobei „man“ eben nicht Jupp und Käthe aus Braunsfeld ist, sondern eher die Wahlpatrizier des Rates oder Herren der alteingesessenen Mörtelszene. Was man nicht alles so tut, um ‚gemeinsam durch die Krise‘ zu kommen. Scheinbar vor allem Geld ausgeben, das man nicht hat, denn die kommunalen Einnahmen brechen durch Corona bekanntlich dramatisch weg.

Herr Paschulke und die SPD

Auch von den anderen Parteien war nicht viel zu hören. Der Medienkonzern DuMont übte sich im gewohnten storytelling des grünen Radfahrers und versteckte die Wahlaussagen der Hauptkandidaten hinter seiner Paywall, nach dem Motto: „Kein Geld, keine Ahnung – keine Ahnung, kein Meinung“. Meinungsbildung läuft hier nun mal so in Köln. Man kann ja schon froh sein, wenn Wahlen geheim bleibt, jedenfalls solange das Ergebnis gefällt. In Thüringen forderte man jedenfalls schon die Abschaffung der geheimen Wahl, nachdem ein AfD-Stadtrat deutlich mehr als die Stimmen der AfD bekam. Die ansonsten boykottierte AfD hat auch in Köln ohnehin ganz andere Probleme. Jedenfalls durfte man deren Wahlkampf mit der Lupe suchen, vielleicht wurden die Plakate auch von „Aktivisten“ entfernt oder wir haben einfach in den falschen Stadtvierteln nachgeschaut, weil man sich dort nach Anbruch der Dunkelheit besser nicht aufhält.
Die SPD zauberte mal wieder einen Landespolitiker aus dem Hut, der in der Lokalpolitik vielleicht Insidern bekannt war, aber von Kinder auch für Herrn Paschulke, den Nachbarn aus „Löwenzahn“ gehalten werden konnte. Dafür erzielte er immerhin ein beachtliches Ergebnis. Schließlich ist ist die Generation, die mit Löwenzahn und dem grünen Oberlehrer Peter Lustig aufgewachsen ist, inzwischen wahlberechtigt und der Gewerkschafter Kossiski vertrat auch traditionelle Genossenstandpunkte. Schon ein erfrischender Aspekt in der beliebigen Gleichschaltung der alten Politik, wenn auch ohne Fortune und natürlich mit dem beleidigten Leberwurstniederlage und dem üblichen Rückzug auf den vollversorgten Landtagsposten. War wohl keine große Stadtliebe, im Rat durfte er auch nicht bleiben, weil ihm die eigene Partei kurzerhand wieder abservierte.
Daß Frau Reker trotz Amtsbonus keine Mehrheit gegen den Nobody erzielen konnte, war eigentlich eine „Klatsche“ für die leicht angespannte Verwaltungsfrau. Vielleicht war es doch der Listenplatz 11, wegen dessen angeblich kurz vorher noch eine Klage geprüft wurde. Am Ende geht es wohl wie die Dauermeckerei über das amerikanische Wahlsystem aus: alle schimpfen, aber der Sieger hat keinen Grund, etwas zu ändern.

Der Kanon fast aller selbsternannter demokratischer Parteien: Das Fahrrad, bis auf die FDP, die dem Bürger immerhin die Wahl lassen möchte, ob er lieber im absichtlich erzeugten Stau steht oder im Aerosol des ÖPNV. Ansonsten ist der Drahtesel, der sich dank Motor und vereinzelter Entwürfe mit Dach und vier Rädern immer mehr zum Auto entwickelt, der Heilsbringer einer Stadt, deren Anteil am Welt-CO2 irgendwo bei weniger als 1 Promille liegt, sich also im Bereich eines Meßfehlers bewegt. Emotional begründete Feigenblattpolitik, „man muss einfach was machen und wenn es noch so sinnlos ist“. Symbole der Ohnmacht. Die Wahl hat man eigentlich nur bei eben der FDP, die völlig dem Zeitgeist widerprechend unter dem Ebertplatz ein Parkhaus bauen will. Gute Idee, irgendwann kommen die Dealer da sicher zu Reichtum und wollen einen Lamborghini. Ansonsten baut man damit natürlich beschattete Übergabeplätze für dunkle Geschäfte. Der nächste Angstraum in der Stadt.

Ob mit dem notorischen Dauerkandidaten Sterck allerdings Staat zu machen ist, kann man stark bezweifeln. Immerhin hat die FDP im Gegensatz zur CDU noch ein Gesicht, wenn auch eines, das seine politischen Ambition eher im Nebengewerbe betreibt und lieber ein Aluminiumwerk in Neuss als „förderfähig zukunftsfähig“ rein wäscht.

Gut für Köln – das Mantra aus dem Lilalauneland

All das war kein Wahlkampfthema und der Kölner hat die bisher ziemlich holperige Amtszeit von Frau Reker bestätigt. Man kann darüber spekulieren, warum. Erinnerte man sich nicht mehr? Fand man das alles gut? Oder konnte man sich dank eines nicht stattfindenen Diskurses gar keine Meinung bilden und wählte halt lieber das geringere Übel? Ist es nicht Aufgabe der Parteien, Wähler zu informieren, damit diese sich eine Meinung bilden können?
„Gut für Köln“ – der Slogan von Frau Reker – hat dem Wähler wohl gereicht. Eine Meinung ist es nicht, sondern eher ein Auftrag, den wir kritisch begleiten werden.
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Es gibt 11 Trümmerberge aus dem 2. Weltkrieg in Köln. Der instabile „Säureberg“ (gemeint sind Blausäureverbindungen) in Köln-Kalk, auf dem ein Hubschrauberlandeplatz gebaut werden sollte, ist keiner davon.