19. April 2024, 6:42 Uhr

Weiberfastnacht (fast wie) in Weißrussland

Ist das Kölner Ordnungsamt ein Fall für die Polizei ?

Mein erstes Problem beim Schreiben dieses Artikels war die Kategorisierung. Unter „Polizei“ wollte ich die Einsatzgruppe „Nix zo donn“ vom Ordnungsamt einfach nicht einordnen, dafür haben die einfach weder die nötige Ausbildung noch die charakterliche Eignung, die man als Maßstab an den Polizeidienst anlegt. Mein zweites Problem war, daß ich erst mal „runter kommen musste“, nachdem, was ich da am Zülpicher Platz erlebt hatte. Allzu arg hatte mich das, was ich nun berichten möchte, aufgeregt.

Eine Runde durch das Krisengebiet

Von Anfang an. Ich wollte bei meinem abendlichen Gang durch die Gemeinde mal sehen, was an Weiberfastnacht am karnevalistischen Hotspot „Zülpicher Platz“ los war und so nahm ich mein Grundrecht der „Freizügigkeit“ (Artikel 11 Grundgesetz), was nichts anderes heißt, das man sich als Bürger (!) frei in Deutschland bewegen darf in Anspruch. Soweit auch kein Problem, niemand legte mir da Steine in den Weg. Maske, Presseausweis, Kamera…alles griffbereit. Am Zülpicher Platz dann das erste AHA..und zwar nicht als Ausdruck des Erstaunens, sondern natürlich in Form der Corona-AHA-Plakate, die ja längts AHAAL heißen müsste, wenn danach die einstmals „sinnlosen Masken“ (März 2020) nicht inzwischen zu „medizinischen Masken“ geworden wären (und in den Hinterzimmern werden schon doppelte Masken diskutiert). Hinter Sichtschutzwänden hatte man einen Versorgungsbereich für die „Security“ aufgebaut. Die Sichtschutzwände waren sinnvoll. Dahinter stand man nämlich ohne Maske in Gruppen herum und spielte sich gelangweilt an den eigenen Füssen herum. Es gab nämlich nichts zu tun. Es waren kaum Leute auf der Strasse, die Rempelgitter standen ungenutzt in Stapeln an der Roonstrasse. Wäre es nicht so feuchtkalt gewesen fehlten nur noch die Rollbüsche aus den Western.

Karnevalsmusik als Unmutsbekundung

Aus dem „Flotte “ drang laute Karnevalsmusik. Drinnen eine Dame, allein an ihrem Laptop. Draußen Schilder „Wir wollen arbeiten“. Natürlich war die Kneipe coronakonform geschlossen. Außer ein paar aufmunternden Gesten konnte ich mit der frustrierten Dame leider nicht kommunizieren. An der Ecke Roonstrasse hatte sich eine Gruppe vom Ordnungsamt als Polizisten verkleidet. Jedenfalls sollte es wohl so wirken. Leuchtwesten, Handfesseln und die großen Flaschen mit Pfefferspray zur Aufruhrbekämpfung. Das große Besteck des Ordnungsamtes. Aufgerüstet wie lauter  Polizeischülerkarikaturen. Eigentlich eher das langweilige Kostüm pupertierender Männlein mit beschämend kleinen Geschlechtsteilen, aber es waren zur Wahrung der Diversität auch Frauen dabei. Allerdings keine schwarzen, es gibt also noch Verbesserungsbedarf für’s nächste Mal. Man trug zwar Maske, wenn auch keine vorgeschrieben „medizinischen“, sondern eher so die Bandana-Variante aus Afghanistan (oder was man davon im Fernsehen gesehen hat), und die Abstände konnte die Neonwestengruppe schon aufgrund der Enge nicht einhalten. Jeder Bürger wurde argwöhnisch beäugt. Der Kölner ist das aber von den üblichen Hotspots gewohnt und hält eben die Hand auf den Wertsachen und der Handtasche. Die Ordnungsamateure sahen es wohl als „Einsatzkonzept“ an, herdenartig in einer einzigen Gruppe vor dem Dönerladen rumzulungern. Wer weiß, vielleicht war es auch nur ein Junggesellenabschied.  Warum auch nicht, es war ja nichts zu tun und so konnte man wenigstens Schwätzchen halten und Überstunden aufbauen. Ich machte ein paar Fotos und bewegte mich weiter Richtung Uni, wo sich aber auch keinerlei Umstürzler, Coronamarodeure oder Anarchisten finden ließen, trotz Studentenviertel. Wahrscheinlich, weil die heutigen Studenten außerhalb des AStA inzwischen wirklich studieren.

Der Bürger – das unbeliebte Wesen

Auf dem Rückweg hatte die Gruppe des Ordnungsamtes aber wohl mit trüben Adleraugen ihren Auftrag erkannt und eine Dame, die mit einem Rollwagen, vulgo: Rentnerporsche – unterwegs war. Die typische Verkleidung des Anarchisten, der im Einkaufswagen wahrscheinlich alles für eine Barrikade mit sich führt. Vielleicht hatte eine kurze Taschenschau auf verbotenes im Glas gefunden. Erbsen oder Grünkohl? Zu zweit redete man auf die nicht ausreichend unterwürfige Dame ein und wurde immer lauter. Da fielen dann Wort wie „MEINE FRESSE !“ – also der Ton, denn man als ungelernter Ordnungsamtmitarbeiter mitbringt, wenn es für den Polizeidienst nicht gereicht hat. Als ordentlich rasender Reporter machte ich ein paar Fotos, musste aber, da mich ein minderjähriger Schutzbefohlener begleitete, auch das Weite suchen, bevor mir die Neonwestengang in die Rippen grätschen konnten. Böse genug guckte man schon. Man geht einfach weiter, bevor einem der Halbstarken mit städtischer Ordnungsbefugnis vor 10 Kollegen, die „ALLE nichts gesehen haben“ der Testosteronkragen platzt. Meine Bilder hatte ich, meine Eindrücke auch.

Leider keine Panzer

Ich berichte hier nicht aus Grosny, Tschetschenien oder aus Weißrussland. Ich war in Köln, Deutschland, Weiberfastnacht 2021 und musste in einer Momentaufnahme erleben, wie eine harmlose Bürgerin wie im Mittelalter von Stadtbütteln belästigt wurde. Diese unwürdige und anmaßende Behandlung wäre eigentlich ein Fall für die echte Polizei gewesen, von der man so ein peinliches Auftreten nicht gewohnt ist. Kein Wunder: die Polizei hat Einstellungstests und eine Ausbildung. Doch damit nicht genug. Natürlich rief die Politik die Kölner Bürger auf, zuhause zu feiern. Mit schon an Verzweifelung grenzenden Videos von Playmobil-Karnevalszügen und herzzerreissenden Tweets. Angesichts 1,5 Milliarden Euro Umsatzausfall schmerzhaft, wenn auch für einige ganz erträglich:  Dem Herrn sei Dank, daß immerhin die OB’in- und Dezernentengehälter gesichert sind. Und natürlich die der Damen und Herren von der Abteilung „Ich bin beim Ordnungsamt, weil die Muckibude ist zu, Digga“. Es funktionierte ja sogar: es war so wenig los, daß sich die teuer zugekaufte Security und das Ordnungsamt mit den „Fingern an dää Föös spelle kunt“.

Samstag, Sonne, Freiheit

Nur zwei Tage später war davon nichts mehr zu merken: als es heute trotz -4 Grad Celsius wie Frühling aussah, „flääzten“ sich zahlreiche Kölner in der Sonne. Teils ohne Maske, alle ohne Abstand und vor allem: ohne Ordnungsamt, das 100m weiter Falschparker aufschrieb oder vielleicht die Überstunden von Weiberfastnacht abfeierte (mj)
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Die Stadt Köln besitzt eine Waldgrabstätte im Königsforst, der zum Stadtgebiet von Bergisch-Gladbach gehört. Der Unternehmer Hubert Josef Hausmann vermachte dieses Grundstück, auf dem er und seine beiden Hunde begraben sind, nebst viel Geld und Immobilien der Stadt, die dafür die Grabpflege übernahm.