27. April 2024, 5:51 Uhr

Weiter nur Taschenspielertricks von Lauterbach

Impfen als Wahlkampf-PR und wie es wirklich war

Karl Lauterbach, seit kurzem bestätigter Wahlkreiskandidat im Wahlkreis Köln-Leverkusen IV, meldete heute um 14:47 Uhr per Twitter an, er sei auf dem Wiener Platz und „impfe im Akkord“.

Das wollte ich sehen. Den Fernsehprediger Lauterbach im Schweiße seines Angesichts bei der Gesundheitsversorgung in seinem Wahlkreis. Kommt ja höchstens mal alle vier Jahre vor. Als ich dann um 16:40 Uhr dort ankam, war weder vom Andrang noch von Herrn Lauterbach etwas zu sehen. Ingesamt schien zur Rush hour mehr Personal dort zu verweilen, als Impflinge. Veranstalter der „Aktion“ war der ASB – Arbeiter-Samariter-Bund, der traditionell der SPD nahe steht. Wahlkampfhilfe war schon mal besser verschleiert.

Unglaubliche Zustände herrschten trotzdem. Passanten wurden wie auf der Reeperbahn von Security-Mitarbeitern der Firma „WuVo“ angesprochen. Auf die Frage, welche Impfstoffe es denn gäbe, antworteten diese jovial wie ein Oberkellner „Wir haben heute Johnson&Johnson und Biontech“. Da interessierte kein Alter, Geschlecht, Vorerkrankung, alles musste raus. „Überzeugte“ suchten sich bei diesem wahrscheinlich (Achtung: Ironie!) aufwändig geschulten Mitarbeiter einen angeboteten Impfstoff aus und bekamen flugs den entsprechenden Aufklärungsbogen von ihm ausgehändigt. Da beklage jemand noch mal bei diesem Engagement den Facharbeitermangel !

Die medizinischen Standards waren arg strapaziert. Lautebach impfte auf seinem Foto in seinem Sakko, daß er offenbar vorgestern in der Leverkusener Fußgängerzone auch schon getragen hatte. Die Impflinge trugen zwar meist Maske, Abstände wurden aber in dem Gewimmel trotzdem nicht eingehalten. Es gab keine Nachbeobachtung, nach dem Impfen wurden die Impflinge aus dem Bus entlassen, in die neue „Freiheit“, bis zur nächsten Impfung. Es gab bis auf die kurzzeitige Anwesenheit des Talkshowbewohners Lauterbach auch keine Anreize: Bratwurst – Fehlanzeige im Stadtteil mit seinem hohen muslimischen Bewohneranteil. Unmittelbar daneben saß man aber maskenfrei in der Außengastronomie und wunderte sich vielleicht über den Zirkus.

Ob der Arzt Lauterbach auch ausreichend aufgeklärt hat oder ob das auch der Mann von „WuVo“ übernommen hat?  Lauterbach’s Kenntnisstand entspricht jedenfalls nicht dem aktuellen: auch für die „Einmalimpfung“ von Johnson&Johnson wird eine „Booster“-Impfung wahrscheinlich. Gegen „Delta“ soll der Impfstoff deutlich weniger wirken.

Nachsorge ? Allergische Reaktionen ? Privatsache

Das Personal stand neben dem knatternden Notstromgenerator, auf eine Zigarette, einen Plausch. Die auf den Lauterbach’schen PR-Bildern gezeigte (trotzdem sehr kurze) Warteschlange – die ich hier aus Urheberrechtsgründen nicht wiedergeben kann – gab es nicht mehr. Viele Passanten eilten vorbei. Ob sich, wie von Lauterbach behauptet unter den Impflingen besonders viele „Menschen mit Migrationshintergrund“ befanden, konnte ich kaum beurteilen, dafür sind es nicht genug. Jeder bekommt einen Aufklärungsbogen auf Deutsch. Ob den jeder der Impflinge lesen und verstehen kann, bleibt dahingestellt. Einige brauchen sehr lange, blättern hin und her und unterschreiben dann, vor allem die Älteren, die einen offensichtlichen Migrationshintergrund haben. Fragen kann man niemanden, vor allem nicht in allen wichtigen Amtssprachen des Stadteils. Die Ärztinnen sehen auch nicht aus, als ob sie dieser Sprachen mächtig seien. Insgesamt dauert der Vorgang im umfunktionierten Krankenwagen auch nicht lange.
Augenscheinlich schaut man auch nicht besonders genau hin. Bei zwei jungen Mädchen (siehe Bildstrecke) wußte man wohl erst nach einem Blick in den Ausweis, ob sie alt genug waren. Nach der Aufgabe aller Haftungsansprüche musste man nur ein paar Minuten warten. „Akkord“ sieht anders aus, aber vielleicht weiß man das in der Arbeiterpartei SPD nicht mehr. Akkord ist als Entgelt definiert, das sich nicht für Arbeitszeit, sondern für eine Arbeitsmenge gezahlt wird. Seine Leistungsmenge „2 PR-Fotos“ für die Presse hat Lauterbach wohl so schnell erfüllt, daß er schnell das „Werksgelände“ verlassen konnte. Ob er die übliche Entschädigung von ca 180€ dafür erhalten hat, war unklar, schließlich wird die pro Stunde bezahlt, nicht pro Foto in eigener Sache.

Auch der Behauptung, die größte Nachfrage bestand für Johnson&Johnson, sah nach meinen Beobachtungen anders aus. Aus den „Kobergesprächen“ hörte ich immer wieder „Biontech!“ heraus, aber das kann bei dem kurzen Auftritt von Herrn Lauterbach natürlich auch ganz anders gewesen sein.

Insgesamt eine Aktion, die wahrscheinlich von Herrn Lauterbach wieder nur für die bestellten Kameras inszeniert wurde. Von „Akkord“ oder „sehr vielen Menschen“ war jedenfalls zwei Strunden später nicht viel zu sehen und der bis 18 Uhr „akkordimpfende“ Lauterbach hatte längst das Weite gesucht, ebenso wie die Presse, die diese Show dokumentieren sollte.

Bilderstrecke

(die merkwürdigen Artefakte, die wie Schatten oder Doppelbelichtungen aussehen, bitte ich zu entschuldigen. Sie entstanden durch eine falsche Kameraeinstellung, die im Sonnenlicht vor Ort nicht auffiel)

Suche

In der Wahner Heide wurden im 1. Weltkrieg verschiedene Giftgase erprobt. Noch heute könnten dort Giftgasblindgänger im Boden liegen.