1. Mai 2024, 23:58 Uhr

Selektives Neutralitätsgebot_ Hurra für pöbelnden

Neutralität bitte nur beim „Gegner“

Kommentar zur tanzenden Polizistin

Seit dem Kölner CSD geht das Video einer tanzenden Polizistin in den sozialen Medien „viral“ (was vielleicht nach zwei Jahren Corona-Schlingerkurs nicht mehr so der beste Begriff ist), die „Community“, die auch die kleinste Nichtigkeit am liebsten mit tagelangem Orgien mit Komasaufen und sexueller Freizügigkeit bis zum Umfallen abfeiern möchte, ist zutiefst entzückt, die Kölner Hauspresse macht Sekundärberichterstattung („Das ist die tanzende Polizistin“). Alles wie gewohnt in der Partystadt, die sonst nicht allzuviel auf die Kette kriegt. Über an Kirchen urinierende Besoffene und den Verfall der Stadt zu einer Partymeile berichtet man nur bei anderen, weniger emotional überladenen Gelegenheiten, wie z.B. Karneval.
Die Kölner FDP ernennt den CSD sogar zum „höchsten liberalen Feiertag“ und „zur sechsten Jahreszeit“. Vielleicht kommt dann irgendwann als siebte noch das Erntedankfest für Schlafmohn und als achte die erste Verkostung des „Heroine noveau“ auf dem Neumarkt dazu. Platz nach oben ist immer.

Es ist auch gegen tanzende Polizistinnen an sich gar nichts einzuwenden, sondern nur gegen die selektive und bigotte Reaktion der Gesellschaft und der Medien. Ob die tanzende Sympathiebekundung überhaupt eine (verbotene) politische Meinungsbekundung darstellt, darüber mag man streiten. In Zeiten, in denen eine hysterische Überemotionalität zu recht merkwürdigen Gesetzen führt, ist das gar nicht so klar.

Die übliche Doppelmoral

Empörung hingegen bei anderen Gelegenheiten: im März 2021 ging ebenfalls das Bild einer Polizistin, die mit ihren Händen ein Herz gegenüber einer skandalös unter freiem Himmel nicht maskierten „Anti-Coronamaßnahmen-Demonstrantin“ formt, in den gleichen Medien „viral“. Die Demonstrantin forderte mit einem Schild den „Schutz der Kinder vor diesem Wahnsinn“.
Der schäumende „Twitter“-Mob forderte hier umgehend dienstrechtliche Konsequenzen und ereiferte sich naturgemäß wie mittelalterliche Dörfler mit Fackeln und Mistgabeln gegen diese „Nazis“, „Reichsbürger“ und „anderes Gesocks“ geradezu fromm fordernd bis zur Totalvernichtung.
Bei Hexenprozessen ist Deutschland perfekt digitalisiert: selbst der wenig besonnene thüringische Minderheitsministerpräsident Ramelow – Kassel liegt in Hessen – machte dabei mit. Auch hier blieb die Frage, ob ein „Herz“ eine politische Meinungsäußerung sei, offen. Die Karriere der Polizistin dürfte trotzdem beendet sein, zu groß der Shitstorm.

Jetzt mehren sich 2022 die Zeichen, daß die Demonstrantin mit ihrer Forderung durchaus Recht hatte: die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind hoffnungslos überlastet, es findet längst eine Triage bei Psychotherapeuten statt. Man spricht selbst in den Main Stream Medien offen von psychischen Kollateralschäden der Coronamaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen.
Eine Rehabilitation der Polizistin, die – vielleicht als Mutter – auch so dachte ? Fehlanzeige.

Auf der einen Seite eine tanzende Polizistin bei einer weitgehend maskenlosen Hedonistenveranstaltung, auf der anderen ein freundliches Herz – die Reaktionen waren genau entgegen gesetzt. Es ist wahrscheinlicher, daß die tanzenden Polizistin mit Migrationshintergrund sogar eher einen Karriereschub zu erwarten hat.

Mein Polizist ist nicht dein Polizist ?

Besser kann man die Spaltung der Gesellschaft gar nicht zeigen: Neutralität oder wie in Berlin gar „Knüppel frei !“ erwartet man nur gegenüber dem Gegner, für das eigene Anliegen dann aber bitte irgendwas Nettes.

Das geht so nicht. Denn erstens kann jeder irgendwann auch mal mit seiner Meinung auf der „falschen“ Seite stehen -Opportunismus schützt in diesen jakobinischen Zeiten nicht zuverlässig – und zweitens gerät die Polizei so zwischen die fluiden Gruppen. Dem Narzissmus bestimmter Gruppen, daß sie ja „die Guten“ seien und ihnen daher eine Bevorzugung zustehe, darf sich die Polizei nicht beugen. Spannend, zu beobachten, daß gerade die, die irgendwann mal unter polizeilichen Maßnahmen zu leiden hatten, wie die „Brokdorf“-Grünen, bei ihren Forderungen zu Polizeigewalt einem nordkoreanischen Regime die Ehre machen würden.

Jetzt hat die Kölner Polizei im Gegensatz zu einigen anderen unrühmlichen Ereignissen, die sogar den UN-Sonderbeauftragten für Folter beschäftigten, bei den Montagsdemonstrationen in Köln nach meinen Beobachtungen sehr besonnen reagiert. Lediglich vom Ordnungsamt der Stadt – das gerne Polizei spielt, aber keine ist – kam es zu Übergriffen gegen Demonstranten – auch wegen der inzwischen als sinnlos erwiesenen Maskenpflicht im Freien. Der „kleinste Kessel der Welt“ gegen Markus Haintz (about.koeln berichtete) wurde nur von der Polizei unterstützt, das nennt man Amtshilfe und ist recht günstig: das Ordnungsamt spart sich so eigene Kräfte, die weiter Falschparker aufschreiben. Der „Kessel“ ging übrigens wie das „Hornberger Schießen“ aus: Haintz durfte weiter demonstrieren, die Stadt ging leer aus, was jeder Winkeladvokat der Stadt vorher hätte wissen müssen. Aber es ging um eine Machtdemonstrationen der Hilfssheriffs, nicht um Recht und Ordnung.

Mit der bisher gezeigten Neutralität sollte die Kölner Polizei auch fortfahren und „Homestories“ tanzender Polizistinnen freundlich aber konsequent vermeiden, um nicht in den Zwiespalt zwischen „guter“ und „bösem“ Lächeln zu geraten, auch wenn es der Zeitgeist schwer macht (mj)

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Nach der Rückabwicklung der Eingemeindung von Wesseling 1976 brauchte Köln 34 Jahre, um sich 2010 wieder „Millionenstadt“ nennen zu dürfen.